Am vergangenen Samstag hat ein neuer Pegida-Ableger namens „Widerstand Ost West“ in Frankfurt demonstriert. Statt erwarteter 1000 Teilnehmer_innen sind nur knapp 200 Islamfeinde, rechte Hooligans und Neonazis dem großspurigen Aufruf von Ester Seitz, Uwe Mindrup und den anderen Organisator_innen gefolgt, „alle deutschen Patrioten auf einer Demonstration“ zu vereinen und auf dem Roßmarkt ein bisschen „Ahu!“ und „Antifa, Hurensöhne!“ zu brüllen. Weit mehr als 2000 Menschen, von Politiker_innen über Gewerkschafter_innen bis hin zu Antifa-Aktivist_innen, stellten sich dem rechten Mob in den Weg – und am Ende sah dessen Bilanz wirklich mehr als bescheiden aus.
Ich hatte schon relativ früh, nämlich Ende April, von dem geplanten Aufmarsch erfahren und Widerstand Ost West von Anfang an journalistisch begleitet – auch auf Twitter. Viele Leute, die wissen wollten, was sich da in Frankfurt zusammenbraut, sind mir daher gefolgt, gerade in den letzten Tagen vor der Demonstration. Über Twitter habe ich kurz vor dem Demo-Samstag auch über den Fortgang des Rechtsstreits zwischen der Stadt Frankfurt und Widerstand Ost West informiert: Die Stadt hatte versucht, die rechte Kundgebung nach Fechenheim und damit in den Osten der Stadt zu verbannen, die Veranstalter_innen klagten auf eine Kundgebung in der Innenstadt – und bekamen vorm Frankfurter Verwaltungsgericht Recht. Da die Stadt noch in die nächste Instanz vor den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel (VGH) zog, war am Freitag für alle Beobachter_innen unklar, wo die rechte Demo jetzt eigentlich stattfinden würde.
Ich rief also am Freitagmorgen beim VGH an, erreichte einen beteiligten Richter und erhielt von ihm die Auskunft, dass noch im Laufe des Tages ein endgültiges Urteil fallen sollte. Wie üblich informierte ich sofort meine Follower_innen.
Einige Stunden später bestätigte der VGH das Urteil der ersten Instanz. Auch diese Information teilte ich über Twitter, bevor ich mich ans Schreiben meines Berichts machte.
Kurze Zeit darauf wurde ich von verschiedenen Twitter-Nutzer_innen darauf hingewiesen, dass eine Fake-Version meines ersten Tweets im Netz kursierte. Offenbar hatte jemand ein bisschen mit Photoshop rumgespielt, ein anderes VGH-Urteil erfunden und teilte den erstellten Fake-Tweet jetzt auf verschiedenen Facebook-Seiten, die in irgend einer Form für Widerstand Ost West mobilisierten. Ich weiß natürlich nicht, wer dahintersteckt, aber ich habe eine starke Vermutung: Irgendjemand wollte da kurz vor der Demo noch möglichst viel Verwirrung bei den Rechten stiften. Ob das gelungen ist, weiß ich ebenfalls nicht, Ester Seitz und ihr Team hatten jedenfalls eine Weile lang sichtlich Mühe, den Tweet von ihrer Seite zu löschen und besorgte Nachfragen zu beantworten, was denn jetzt eigentlich Sache sei. Hier ist der Fake-Tweet, in einer besseren Qualität habe ich ihn leider nicht.
Bevor jemand fragt: Selbstverständlich kann ich verstehen, dass Netzaktivist_innen versuchen, die verstreut lebenden Anhänger_innen eines unappetitlichen Bündnisses wie Widerstand Ost West, das ja stark auf Facebook-Kommunikation angewiesen ist, zu verwirren. Aber dass die unbekannten Faker_innen für ihre Kommunikations-Guerilla-Aktion ausgerechnet meinen Namen und meinen Twitter-Avatar benutzt haben, hat mich aus zwei Gründen extrem geärgert.
Erstens. Solche Aktionen schaden meiner Glaubwürdigkeit. Ich nutze Twitter als Journalist, für meinen Beruf, das heißt unter anderem, dass ich wie in einem normalen Bericht nichts schreibe oder behaupte, das ich nicht sorgfältig geprüft habe und/oder belegen kann. Wenn ich Sachen nicht genau weiß oder sie nur vom Hörensagen habe, mache ich das sprachlich deutlich. Wenn daher irgendwelcher Unfug unter Bezug auf meine Glaubwürdigkeit im Netz herumfliegt, ist das ein Problem für mich. Und es ist ja etwas anderes, ob man sich als ein Medium ausgibt – etwa als die Frankfurter Rundschau – oder ob man vorgibt, ein bestimmter Journalist zu sein, der noch dazu besonders aktiv über das Ereignis schreibt und twittert, zu dem man einen Fake platzieren will.
Zweitens. Dieser Fake hat meine persönliche Lage, was die Demo von Widerstand Ost West betraf, zusätzlich verschlechtert. Da ich von Anfang an sehr deutlich darauf hingewiesen habe, was für eine üble Mischung aus „PI-News“, Hooligans und Legida-Schlägern da auf Frankfurt zukommt, war ich auf den Seiten des rechten Bündnisses und vor allem in den Facebook-Kommentaren sowieso schon ständig Thema. Beschimpfungen als „Ratte“ und die Ankündigung, dass man „Hetzer“ wie mich mal so richtig verprügeln müsste, waren da noch die eher harmlosen Dinge. Durch den Fake-Tweet fühlten sich viele Anhänger von Widerstand Ost West am Freitag offenbar in ihrem Wahn bestätigt, ich beteilige mich an einer gezielten Desinformations-Kampagne, um ihnen politisch zu schaden. Wenn man dann noch weiß, dass Journalist_innen bei Legida-Demos unter dem Schlachtruf „Lügenpresse!“ durch die Straßen gejagt wurden, dann kann man vielleicht erahnen, wie ich mich am Samstagmorgen gefühlt habe. Auch wegen des Fake-Tweets musste ich zusätzlich auf meine Sicherheit achten, und solche Dinge nerven mich und meine Kolleg_innen einfach, weil wir uns auf unsere Arbeit konzentrieren wollen.
Von daher, liebe Photoshop-Künstler_innen, wenn ihr das hier lest: Denkt bei solchen Fake-Aktionen bitte in Zukunft daran, was für Folgen sie für andere haben. Ich habe wirklich viel Humor, vor allem wenn es darum geht, rechte Knallköpfe zu verulken. Aber euer Fake mit meinem Namen war für mich nur eins: Nicht lustig.
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